Die Geschichte des Lindenberger Volkstheaters

Am Anfang stand eine Schlägerei …

Josef Wurm – erster Spielleiter 1921-1924

Es war der 21. Januar 1921 – ein schöner kalter Winterabend. Im Gasthaus „Zur Traube“ trafen sich Interessenten zur Bildung einer Theatergruppe innerhalb des Arbeiter-Musiker-Vereins. Auf Grund einer Anzeige im „Lindenberger Tagblatt“ kamen jedoch an diesem Abend nicht nur Freunde des Theaterspiels zusammen, sondern es fanden sich auch zur Gründung „ausgesprochene Nörgler und Stänkerer“ ein, wie sich das Gründungsmitglied Heinrich Wagner ausdrückte. Die heftige Debatte über den Sinn und Zweck einer solchen Theatergruppe endete dann auch gegen 22 Uhr mit einer handfesten Schlägerei. Der Streit wurde mit tatkräftiger Hilfe durch Heinrich Ochsenreiter beendet, was bei Heinrich Wagner einen „unvergesslichen Eindruck“ hinterließ.

 Unter Leitung des Vorstands der Kapelle Franz Anton Nuber (auch Hut-Nuber genannt) kam es schließlich zur Gründung der Theatergruppe. Der Antragssteller Josef Wurm wurde einstimmig zum Spielleiter ernannt. Gründungsmitglieder waren: Robert Achberger, Markus Bader, Anton Besler, Max Brinz, Emil Brinz, Josef Deiring, Christian Dobler, Hans Mößnang, Alfons Nuber, Heinrich Ochsenreiter, Xaver Rädler, Benedikt Rasch, Georg Steib, Heinrich Wagner, Hans Wipper und Josef Wurm.
 Kleine Auftritte fanden dann auch sehr bald im Gasthaus „Zur Traube“ und im Hotel „Krone“ statt. Das Theaterspiel bekam dann einen merklichen Aufschwung, als wenige Wochen nach diesen Auftritten Sylvester Holderried und Martin Maidel sich der Theatergruppe anschlossen. Diese zwei Männer können mit Recht auch zu den Gründungsmitgliedern gezählt werden.

Die weitere Entwicklung und der Glücksfall Sylvester Holderried

Im März 1921 kam es zur ersten „Großveranstaltung“ im „Löwensaal“. Zur Aufführung kam das besinnliche Schauspiel „Der Glockenguss zu Breslau“, das mit großem Beifall aufgenommen wurde. Man konnte mit dem Besuch bei vier Erwachsenen- und einer Kindervorstellung schon recht zufrieden sein. Die wirtschaftliche Lage (Lindenberg zählte ca. 4000 Einwohner) verhinderte wohl eine größere Besucherzahl. Der niedrige Eintrittspreis konnte die entstandenen Kosten für Saalmiete und Werbung fast nicht decken, so dass mitunter auch die Spieler in ihre Tasche greifen mussten. So schreibt das Gründungsmitglied Heinrich Wagner: „Somit war nie viel Geld in der Kasse, so dass schon bei einigen Mitgliedern der Unwille zum Ausdruck kommt, das Theaterspielen wieder aufzugeben und die paar verbliebenen Mark in flüssiger Form zu verausgaben.“ Hier trat nun Sylvester Holderried, der mittlerweile zum ersten Vorsitzenden der Theatergruppe gewählt wurde und damit den ersten Vorstand Franz Anton Nuber des Arbeiter-Musiker-Vereins ablöste, ins Geschehen ein.
Ihm war es zu verdanken, dass durch seine klare Führung die erst entstandene Theatergruppe nicht bereits nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung verschwand. Gegen Ende des Jahres 1922 ergab sich die Notwendigkeit, dass sich die Theatergruppe aus dem Arbeiter-Musiker-Verein löste und unter dem Namen „Theatergesellschaft Lindenberg“ nun auf eigenen Füßen stand.
Sylvester Holderried leitete die Geschicke des Theaters von 1922 bis 1947. Er war immer bereit, nicht nur die Vorstandschaft, sondern auch die Spielleitung von Stücken zu übernehmen, die immer von Erfolg gekrönt waren. 1928 trat Leo Miller in die „Theatergesellschaft“ bzw. „Theatervereinigung“ (wie sie ab nun hieß) ein. Leo Miller war nicht nur ein sehr guter Schauspieler, sondern er verstand es auch, Theaterstücke auf hervorragende Weise einzustudieren. Dabei ging er, wie Heinrich Wagner berichtet, nicht gerade zimperlich mit seinen Spielkameraden um. Leo Miller ermöglichte es auch, dass die Laiendarsteller regelmäßig Theaterunterricht erhielten, zum ersten Mal am 21. April 1928 in der „Weizenbrauerei“. Mit Sylvester Holderried und Leo Miller feierte die „Theatervereinigung“ große Erfolge.

Die Zeit des Nationalsozialismus …

Jahr 1931 – rechts Wally Spechner und Hans Rössel, links mit Schnurrbart Heinrich Wagner, ganz links Einsle, mit Vollbart Sylvester Holderried, mitte Leo Miller, links am Tisch Anni Böckle

Einen Einschnitt in die weitere Entwicklung der „Theatervereinigung“ brachte das Jahr 1933. Sämtliche Lebensgebiete und damit auch die „Theatervereinigung“ waren nach der Machtübernahme der NSDAP einer Umgestaltung und Umstrukturierung ausgesetzt.

„Es begann ein stilles Ringen um die Erhaltung der Eigenständigkeit des Vereins.Eine sogenannte Gleichschaltung konnte nicht vermieden werden“, so Wagner.
Die „Theatervereinigung“ wurde zur „NS-Volksbühne“ und hatte sich damit auch deren Satzung zu unterwerfen. Die Uraufführung des Stückes „Die erste Stadt ohne Arbeitslose oder der alte Herrgott lebt noch“ im Juli 1933 gibt Hinweis auf die neue Ideologie, die Einzug in die „Theatervereinigung“ hielt. So hieß es auf den Plakaten:

Jahr 1937 – „Alles in Ordnung“ – von links: Hans Rössle, Hilde Rasch,Leo Miller, Helma Geirhos, Luis Albrecht, Maria Reichersborner, Emil Fink

„Es spricht dieses Stück eine allgewaltige, kraftdurchflutende Sprache. Hier redet Volk zum Volk. Alles, was wir in den vergangenen Jahren Schmerzhaftes erlebten, wie es ertragen und gemeistert wurde, soll uns in einfacher, volkstümlich-schlichter Art gezeigt werden“. 1940 wurde noch das Theaterstück „Der G´wissenswurm“ von Anzengruber aufgeführt. Der Reinerlös galt zu Gunsten der im Felde stehenden Wehrmachtsangehörigen.

Dann schloss sich der Vorhang – erst acht Jahre später sollte er sich wieder öffnen.

Von der Theatervereinigung zum Volkstheater

Jahr 1952 – „Der verkaufte Großvater“ – mit Lucia Fehr und Hans Röhrl, (im Hintergrund v.l.n.r.) Maria Reichersborner, Eugen Martin, (verdeckt) Lucie Stadelmann und Sepp Letschka

Am 11. Februar 1947 kam es im Gasthaus „Zum Löwen“ zu einer neuen Gründungsversammlung. 23 Anwesende wählten unter Aufsicht und Genehmigung des Stadtkommandanten der französischen Militärregierung eine neue Vorstandschaft. Der Anfang war nicht leicht. Viele wertvolle Kulissen, Vorhänge und Stoffe waren von den Besatzungstruppen verheizt worden. Der Saal des „Löwens“ stand erst im April 1948, nach Abzug der marokkanischen Truppen, wieder zur Verfügung.

Mitte Mai fand dann auch die erste Nachkriegsvorstellung statt. Titel des Stücks: „S´ Glück vom Riedhof“.
Zur Freude aller erschien in der ersten Abendvorstellung – gerade zurückgekehrt aus russischer Gefangenschaft – das Theatermitglied Hans Rößle. „Das war ein Jubel aller im Saal Anwesenden“, so drückte sich Heinrich Wagner aus.
Im Jahr 1955 kamen zwei „Theaterleute“ zur „Theatervereinigung“, die für die nächsten Jahre sehr wertvoll werden sollten: Kurt Gail und Erich Türk. Auch Erwin Trimmel fand in diesem Jahr den Weg zum Volkstheater. „Zum Kamerad Josef Lutz gesellte sich ein Techniker vom Fach, der unermüdliche junge Spielfreund Erwin Trimmel“ (Heinrich Wagner).

Jahr 1961 – „Der Brandnerkasper“ – Michael Reithmeier und Hans Röhrl

1958 kam es dann zur Umbenennung der „Theatervereinigung“ in „Lindenberger Volkstheater“. Im Herbst 1964 wurde der Umzug in die „alte“ Stadthalle vollzogen. Bedauerten die älteren Mitglieder diesen Umzug, so waren es vor allem die jüngeren, die sehr bald die Vorzüge dieser neuen Bühne erkannten. 1965 kam es zur Gründung einer Jugendgruppe, die leider durch die berufliche Veränderung des Spielleiters Kurt Gail 1969 nicht mehr die erforderliche Betreuung erfuhr.

Von den 70iger Jahren bis heute

1972 – „Die Töchter Josefs“ – V.l.n.r.: Georg Verklärer, Carola Rädler, Xaver Boch und Käthe Weber

Man kann zu Recht sagen, dass der Umzug in die „alte“ Stadthalle für das Volkstheater in jeder Hinsicht ein Gewinn war. Ein Beleg dafür sind vor allem die Zuschauerzahlen. Ein erneuter Umzug zurück in den „neuen Löwensaal“ hatte 1993 einen deutlichen Rückgang der Besucherzahlen zur Folge. Es mögen sicherlich auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben, aber erst seit Frühjahr 2000 konnte das Volkstheater im Vergleich zum Jahr 1999 die Zuschauerzahl von 518 auf 1377 steigern. Hier mag auch sicherlich eine Neuauflage des „Brandnerkasper“ mit den Ausschlag gegeben haben.

1984 1x Hiebe, 3x Liebe“ – Birgit Reinold und Helmut Reithmeier

Auch mit „Pension Schöller“, unserem Stück im Frühjahr 2001 mit über 1000 Besuchern können wir mehr als zufrieden sein. Im August 1999 kam es zur Gründung einer Kindertheatergruppe, die Mitte September zum ersten Mal im Rahmen des „Seniorentages“ in der Löwenstraße einen „Waschtag anno dazumal“ darstellte. Waren es damals noch sieben Mädchen, so ist mittlerweile die Gruppe auf 20 Mädchen und Jungen angewachsen. Theaterstücke wie „Das Traumfresserchen“ und „Weihnachten im Märchenland“ folgten.

Mittlerweile ist das Lindenberger Volkstheater nicht nur auf der Bühne des „Löwensaals“ präsent, sondern auch seit 1999 mit Theaterstücken wie „Weiberwirtschaft“ und „Ehelust – Ehefrust“ bei der Kleinkunst in Lindenberg und im Adlersaal in Oberreute zu Gast. Den kleinen historischen Abriss über das Lindenberger Volkstheater mögen die Worte des Gründungsmitgliedes Heinrich Wagner beschließen:

„Aus der inhaltsvollen Vergangenheit schöpft das Lindenberger Volkstheater den Mut, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken“.

 

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